Von Martin ‚Potti‘ Pott

Der Bad Beat ist ein integraler Bestandteil des Pokerspiels und gehört dazu wie das Salz zur Suppe. Ohne Bad Beats wäre Poker bei weitem nicht so beliebt. Denn die stärkere Hand am Flop oder Turn gewinnt nicht zu 100%, sondern oft nur zu 90% oder sogar weniger. Jeder erfahrene Pokerspieler hat im Laufe seiner Karriere nicht nur zahlreiche Bad Beats kassiert, sondern auch verteilt.

Geschichten aus dem Paulanergarten

Wichtig zu wissen ist dabei, dass gute Pokerspieler mehr Bad Beats einstecken als austeilen, da sie ihre Chips in der Regel dann investieren, wenn sie vorne liegen und nicht als Underdog. Und trotzdem kommt es immer wieder vor, dass der Gegner eine Glückskarte zieht, obwohl man alles richtig gemacht hat. Die Varianz ist mitunter einfach brutal. Das ist frustrierend und verursacht Schmerzen, daher teilen wir unser Leid mit jedem, der uns gerade über den Weg läuft, ob sie es hören wollen oder nicht.

Die meisten dieser Geschichten folgen einem ähnlichen Muster. Zum Beispiel: „Ich habe das Top Set gefloppt, und mein Gegner callt die Einsätze am Flop und Turn. Dann trifft dieser Donk am River seine Wunderkarte zum Gutshot für die Straight und nimmt mich aus dem Turnier.“ Oft werden dabei bestimmte Details wie Flush-Draws des Gegners geschickt verschwiegen. Das macht alles etwas dramatischer und mitleidserregender, am Ende aber auch nicht selten zu einer Geschichte aus dem berühmten Paulanergarten.

Potti bei der WSOP in Las Vegas

Alles schon gesehen und doch...

Nach all den Jahren im Pokerspiel fällt es mir jedoch schwer, wirkliches Mitgefühl zu empfinden, wenn mir jemand erzählt, dass er am River einen 3-Outer kassiert hat. Vielleicht habe ich diese Geschichten einfach zu oft gehört und selbst erlebt. Ich habe Dutzende 1-Outer ausgeteilt und Hunderte 1-Outer kassiert. Es gibt wahrscheinlich keine Situation, die ich nicht selbst durchlaufen oder zumindest gesehen oder kommentiert habe.

Und doch… als ich 2015 beim Main Event der World Series of Poker in einer recht unglücklichen Situation kurz vor Ende von Tag 2 – recht knapp vor den bezahlten Plätzen – ausgeschieden bin, da habe ich genau das gemacht. Ich habe jedem, der mir gerade über den Weg gelaufen ist, erzählt, wie unglücklich die Hand verlaufen ist. Egal, ob dieser die Story hören wollte oder nicht. Geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid! Ich könnte die Geschichte auch hier erzählen, denn ich weiß noch jedes Detail. Aber ich erspare es euch.

Meine Lieblings Bad Beat Story

Eine meiner absoluten Lieblings Bad Beat Storys möchte ich euch allerdings nicht vorenthalten. Ich habe sie von einem Las Vegas Buddy, der mit am Tisch saß, als sich Folgendes ereignet hat.

Schauplatz:  Las Vegas (wo sonst)

Game: 5/10 NL Holdem Cashgame im Bellagio

Spieler 1 raised aus UTG-Position auf 40$. Er hat knapp 500$ vor sich stehen. Mein Kumpel sitzt direkt neben dem UTG-Raiser und passt seine Hand. Spieler 2 (MP) reraised auf 110$. Er hat ca. 1.100$ vor sich liegen. Spieler 3 geht nun nochmalig mit einer 4-Bet (Re-Re-Raise) auf 250$ drüber – er hat einen Stack von 600$. Der Rest foldet, und die Action kommt zurück zu Spieler 1. Der überlegt kurz, legt dann Pocket-Zehner – er zeigt sie meinem Kumpel, ohne dass es die anderen sehen – schweren Herzens ab. Spieler 2 überlegt kurz, stellt seine 1.100$ All, und Spieler 3 snap-called mit einem lauten „Yes“ und Pocket Aces. Nun ist es so, dass im Cashgame die Holecards im Showdown nicht gezeigt werden müssen, daher hält sich Spieler 2 mit schmerzverzerrten Gesicht bedeckt.

Der Flop geht auf mit 832 rainbow. Die Miene von Spieler 2 bleibt pessimistisch, die Rocktes seines Gegners scheinbar vorn. Die Turnkarte ist eine offsuit 4, am River folgt ein Jack und der Rest des Decks wird vom Dealer zu den gemuckten Karten gelegt. Doch statt das es zur Entscheidung kommt, bemerkten mehrere Spieler, dass der Dealer vor dem River keine Karte gebrannt hatte (die Burncard). Also nimmt der Croupier alle auf dem Tisch befindlichen Karten wieder auf, mischt sie nochmals durch, hebt ab und dealt eine neue Riverkarte. Vielleicht kann sich der eine oder andere bereits denken, was dann passiert ist? Der River ist eine Zehn! Im gleichen Moment knallt Spieler 2 seine Pocket Zehner auf den Tisch und schreit: „Ship it, Baby – I never lose with Pocket Tens!“

Wie in etwa würdet ihr die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass Spieler 2 diese Hand vor dem Aufdecken des Rivers noch gewinnt? Die wirklich einzig theoretische Option zum Sieg für Spieler 2 war, dass der Dealer einen Fehler macht, so dass die gepassten Karten der anderen Mitspieler (die zum Sieg benötigten 10er waren ja aus dem Spiel) wieder zurück ins Deck kommen. Und dann muss der Croupier auch noch eine der beiden Zehner „finden“. Da besagter Kartendealer eher einer der besseren Croupiers im Casino war und dies ihm pro Jahr vielleicht ein einziges Mal passiert, würde ich die Chancen auf den obigen Ausgang bei ca. 1:500.000 einschätzen. Denkt an diese Geschichte, wenn ihr das nächste Mal mit AK gegen AJ verliert und der Dealer am Turn oder River einen Buben umdreht. Es gibt immer noch jemanden, der wesentlich mehr Pech hat.

Good game, wir sehen uns an den Tischen.