Von Martin „Potti“ Pott

Wenn beim Main Event der WSOP mehr als 10.000 Spieler teilnehmen, dann ist es ganz normal, dass auch einige besondere Menschen dabei sind. Cody Daniels aus Lake Havasu City (Arizona, USA) ist einer dieser ganz besonderen Menschen.

Der 28-Jährige US-Amerikaner leidet an einer unheilbar verlaufenden Krankheit. In den letzten Jahren musste er sich unzähligen Operationen unterziehen. 90% seines Magens mussten dabei operativ entfernt werden. Die Ärzte sind rat- und machtlos. Cody darf pro Tag nur gut eine Stunde aufstehen, ist den Rest der Zeit ans Bett gefesselt. Er wird rund um die Uhr betreut.

Cody’s große Leidenschaft ist Poker. Er kennt nicht nur jeden Spieler aus dem Fernsehen, sondern schaut sich vom Krankenbett aus alles an, was nur ansatzweise mit Poker zu tun hat. Sein großer Traum ist es, einmal beim Main Event der WSOP teilzunehmen. Und dieser Traum ging in diesem Sommer in Erfüllung. Einige wohlhabende Prominente, die von Codys Geschichte Wind bekommen hatten, stellten das $10.000 Buy-In zur Verfügung, um Cody für das Main Event der Poker-Weltmeisterschaft zu staken.

An Tag 3 des Main Events werde ich mit dieser Geschichte konfrontiert. Ich sitze an der Rail von Jens “Knossi“ Knossalla und filme die Hände, in die er involviert ist. Am Nachbartisch von Knossi spielt Cody ebenfalls Tag 3, und direkt neben mir an der Rail sitzt seine Mutter. Sie passt auf Cody auf und begleitet sein Turnier. Sie macht sich Sorgen. Sie erzählt mir seine ganze Leidensgeschichte.

„Aus medizinischer Sicht sollte und dürfte Cody hier gar nicht mitspielen. Es ist ein Wunder, dass er die ersten beiden langen Tage sitzend am Tisch überstanden hat. Er nimmt all seine letzte Energie zusammen“. Aber genau wie Knossi ist auch Cody noch im Rennen und kämpft ums Überleben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Beide zwar short an Chips, aber beide haben zu diesem Zeitpunkt bereits viel geschafft und gut 70% aller Teilnehmer an der Pokerweltmeisterschaft hinter sich gelassen. Der Weg zur ersten Preisgeldstufe ist nicht mehr weit.

Dann das Drama. Auf dem Rückweg von einer Spielpause hatte Cody die Zeit unterschätzt. Da er aufgrund seines Mini-Stacks jedoch keine Hand verpassen wollte, rannte er die letzten 50 Meter, um rechtzeitig zu seinem Platz zu kommen. Und das war einfach zu viel für seinen geschwächten Körper. Keine 30 Sekunden später gingen bei ihm die Lichter aus. Er knallte vorn über mit seinem Kopf auf den Tisch, sank anschließend vom Stuhl. Mir quasi direkt vor die Füße. Ich hatte Angst. Seine Mutter war zu diesem Zeitpunkt nicht da, aber Gott sei Dank einige Security Officer und eine Medizinerin, die die Situation schnell erfassten.

Das Main Event wurde für einige Minuten unterbrochen. Es stellte sich heraus, dass eine komplette Unterzuckerung der Grund für den Blackout war. Mit einem zuckerhaltigen Glas O-Saft wurde er wieder aufgepäppelt, und nach gut 10 Minuten saß er wieder auf seinem Platz. Ich konnte aber beobachten, dass er in den ersten 20 Minuten noch nicht wirklich auf der Höhe war. Mittlerweile war auch seine Mutter wieder zurück, und ich bekam mit, wie der Turnierdirektor ihr mitteilte, dass sie Cody aus medizinischen Sicherheitsgründen aus dem Turnier nehmen würden, sollte sich die Situation wiederholen.

Doch dazu kam es Gott sei Dank nicht. Denn ich war ich war mir ziemlich sicher, dass es zu einem großen Skandal gekommen wäre und Cody sich bis aufs Blut geweigert hätte seinen Chipstack – und wäre es auch nur noch ein einzig verbliebender Big Blind gewesen – aufzugeben. Es war sein Traum, und den wollte er um jeden Preis verwirklichen. Er sprach mehrmals davon, dass er sich ganz sicher sei, dass er am 17. Juli am Final Table sitzen und das Main Event der WSOP 2023 gewinnen würde.

Aber auch dazu kam es nicht. Zwar überstand Cody auch Tag 3, im Gegensatz zu Knossi sogar mir einen Stack in der Nähe des Durchschnittsbereichs, an Tag 4 war jedoch für beide Endstation. Während Knossi Platz 1.130 belegte (für $17.500) nahm Cody noch einige Preissprünge mit. Am Ende war Platz 636 für $30.000 Preisgeld der Lohn für die schönsten, aber gewiss auch härtesten Tage in seinem Leben. Er hat alles an Energie geopfert, alles, was ging.

Cody’s Geschichte ging jedoch noch weiter. Auch die Amerikaner hatten von seiner unheilbaren Krankheit mitbekommen. Nach ein paar Tagen Erholung, wurde Cody zu einer Cash-Game-Veranstaltung nach Los Angeles eingeladen. Dort traf er sein Idol Tom Dwan, gegen den er dann auch am Pokertisch antrat. Bei der LIVE ausgestrahlten Poker-Session gewann Cody $15.000 und zeigte anschließend, welch großes Herz er hat. Direkt im Anschluss an die Partie spendete Cody den kompletten Gewinn an die Organisation “Make a wish“, die todkranken Kindern letzte Herzenswünsche erfüllt.

Cody Daniels – ein bemerkenswerter und wundervoller Mensch. Möge ihm seine Energie und seine Willenskraft noch ein langes Leben ermöglichen.